Carla Grosch von den S. Fischer Verlagen spürt literarische Trends auf und sucht nach zündenden Texten. Wie sie Buchideen entwickelt und Autorinnen findet, erzählt sie im Interview.
Carla Grosch, Sie sind Trendscout für die S. Fischer Verlage. Was machen Sie da genau?
Der Begriff Trendscoutin führt vielleicht ein bisschen zu weit. Unser Team ist im Bereich der unterhaltenden Belletristik angesiedelt, und wir sind konkret zuständig für Eigenentwicklungen und trendbasierte Akquisen. Das heißt, meine Kolleginnen und ich beobachten aktuelle Entwicklungen auf dem Buchmarkt, in Serien, Zeitungen, auf Social Media und so weiter und betreiben intensive Marktrecherchen. Auf dieser Basis entwickeln wir auf der einen Seite eigene Plotideen und suchen dafür nach Autorinnen und Autoren. Auf der anderen Seite akquirieren wir durch die stetigen Analysen äußerst strategisch.
Wie konkret sind die Projekte, wenn Sie eine Autorin oder einen Autor dafür suchen?
Das ist unterschiedlich. Manchmal haben wir nur einen kurzen Pitch im Kopf, manchmal auch konkrete Figuren oder einen Plot. Mitunter lassen wir von freien Dramaturginnen oder Autorinnen eine Plotidee oder ein Exposé entwickeln und suchen erst dann jemanden, der die Geschichte schreiben kann.
Wie finden Sie die passende Autorin oder den passenden Autor für ein Projekt?
Zum einen über den Kontakt zu Literaturagenturen, mit denen wir im engen Austausch sind. Die können uns oft jemanden nennen, der in einem bestimmten Bereich besonders gut schreibt. Manchmal entstehen Ideen für ein Buchprojekt auch im Gespräch mit Autorinnen und Autoren, die wir schon im Programm haben. Oder ich komme über mehrere Ecken mit jemandem ins Gespräch.
Wie viele Freiheit hat die Autorin oder der Autor, wenn es ans Schreiben geht?
Die Idee wird selten genauso umgesetzt, wie sie anfangs auf dem Papier steht. So ein Projekt entwickelt sich. Die Autorinnen und Autoren machen sich den Stoff zu eigen und stehen für seine Umsetzung ein. Das ist uns sehr wichtig. Es geht nicht darum, dass da nach „Schema F“ irgendwas aufgesetzt wird, sondern wir wollen unterstützen und schauen: Welche Themen und Ideen sind erfolgversprechend? Schließlich ist es auch der Wunsch unserer Autorinnen und Autoren, mit ihren Büchern ein Publikum zu erreichen und Erfolg zu haben.
Wo sehen Sie derzeit die Haupttrends im Unterhaltungssegment?
Thematisch sind weiterhin historische Stoffe vom 19. bis zum späten 20. Jahrhundert bei den Leserinnen sehr beliebt, allerdings zeigt sich da langsam eine Übersättigung des Marktes. Wir beobachten auch, dass sich die Unterhaltungsliteratur insgesamt verändert, weg von stereotypen, hin zu facettenreicheren Figuren. Gesellschaftlich wird Individualität immer wichtiger, das spiegelt sich in den Büchern. Dazu passt auch, dass die Trennung zwischen den Programmsegmenten Literatur und Unterhaltung immer mehr verwischt. Titel, die anspruchsvolle Unterhaltung bieten, ziehen zur Zeit besonders. Manchmal machen die Figuren den Unterschied, eine besondere Sprache oder auch ein Thema, über das man beim Lesen etwas lernt. Wir beobachten auch, dass Leserinnen im Segment Unterhaltung vermehrt zu Büchern von deutschsprachigen Autorinnen und Autoren greifen. Das ist eine sehr positive Entwicklung der vergangenen Jahre, die es uns ermöglicht, mehr solcher Autorinnen und Autoren ins Programm zu nehmen.
Als Debütautorin habe ich meist noch keine persönlichen Kontakte zu Verlagen. Wie gehe ich dann am besten vor, wenn ich im Bereich Unterhaltung veröffentlichen möchte?
Der übliche Weg führt über eine Agentur. Natürlich können sich Debütantinnen auch direkt an mich wenden. Ich kann nur keine direkte Antwort versprechen, weil wir sehr viele unaufgeforderte Manuskripte bekommen.
Was muss ein Text mitbringen, um sie zu überzeugen?
Wir haben nur sehr begrenzt Platz in unserem Programm. Einfach nur „gut“ reicht darum nicht. Sondern es muss zünden, und das passiert ehrlich gesagt nicht so oft. Wichtig ist mir die Stimmung, die aufkommt: Fühle ich mich als Leserin abgeholt? Kann ich in die Geschichte eintauchen? Eine tolle Geschichte braucht etwas Neues, was ich in dieser Form bisher noch nicht so oft gelesen habe.
Bei der Textmanufaktur geben Sie im September die Masterclass Unterhaltungsliteratur, zusammen mit der Agentin Dorothee Schmidt. Wer kann teilnehmen?
Die Masterclass richtet sich nicht an absolute Anfänger, sondern an Menschen mit Schreiberfahrung. Es soll darum gehen, ein eigenes Projekt weiterzuentwickeln und zu schauen, was sich noch verbessern lässt. Wir konzentrieren uns auf die Genres historische Romane, starke Frauen und gehobene Unterhaltung. Jeder, der schonmal etwas in einem dieser Bereiche geschrieben hat, kann sich mit einer Textprobe und einem Exposé bewerben.
Carla Grosch ist bei den S. Fischer Verlagen als Teamleitung im Lektorat der unterhaltenden Belletristik tätig. Sie studierte Buchwissenschaften und Kulturanthropologie an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz. Carla Grosch lebt in der Nähe von Frankfurt, genießt in der Freizeit ihr Familienleben und entspannt sich beim Pflanzen schöner Blumen in ihrem Garten.