„Seid Ihr eigentlich noch da?“

In vier Interviews stellen wir die Gewinnerinnen und Gewinner des narrativa-Schreibwettbewerbs vor. Susanne Tägder ist eine von ihnen. Während ihrer Online-Lesung hat sie das Räuspern und Stühlerücken vermisst. 

Susanne Tägder, warum haben Sie beim narrativa-Schreibwettbewerb mitgemacht?
Im Sommer habe ich an einem Online-Workshop der Textmanufaktur teilgenommen und dort an meinem Roman gearbeitet. Da habe ich einfach einen Textausschnitt eingereicht.

Worum geht es in Ihrem Roman?
Er spielt in einer Kleinstadt in Mecklenburg-Vorpommern, wenige Jahre nach der Wende. Im Mittelpunkt stehen ein alternder Lehrer und seine ehemalige Schülerin, die inzwischen Lokalreporterin ist. Gemeinsam klären sie ein 1945 begangenes Verbrechen auf. Dabei reparieren sie gewissermaßen ihre eigenen Leben und auch die einiger anderer Menschen aus ihrem Ort.

Ihren Text haben Sie in einer Online-Lesung vorgestellt. Wie war das, vor dem Computer zu Hause lesen, für ein unsichtbares Publikum?
Einerseits war das sehr vertraut, weil man ja in seinen eigenen vier Wänden sitzt. Das ist sicherlich etwas einfacher als auf der Bühne zu lesen. Andererseits fehlt bei diesem Format das unmittelbare Feedback. Es ist sehr still, und es gab einen Moment während der Lesung, als ich dachte: Seid Ihr eigentlich noch da? Aber davon abgesehen fand ich es besser, als ich erwartet hatte. Über den Chat habe ich viele sehr, sehr nette Rückmeldungen erhalten.

Seit wann schreiben Sie?
Ich habe mein Leben lang in Schreibberufen gearbeitet, direkt nach der Uni journalistisch und später als Anwältin und Richterin. Natürlich ist das eine andere Art des Schreibens, aber nichts desto trotz braucht man auch dafür ein gewisses Schreibtalent. Für das literarische Schreiben fehlte mir lange die Zeit. Erst, als ich mit meinen Kindern einige Jahre zu Hause war, kam das allmählich. Vor ungefähr fünf Jahren sind erste Essays und Kurzgeschichten von mir erschienen. Zur Zeit überarbeite ich meinen ersten Roman und hoffe, dass ich als nächsten Schritt dafür eine Literaturagentur finde.

Welchen Stellenwert nimmt das Schreiben in Ihrem Leben ein? 
Einen sehr hohen, aber ich würde im gleichen Atemzug auch das Lesen nennen. Ich lese sehr viel und eigentlich immer mit den Augen einer Schriftstellerin. Ich versuche zu erkennen, wie ein Text gemacht ist und experimentiere auch beim Schreiben gern mit unterschiedlichen Stilen und Gattungen. Ich glaube, wenn man selbst schreibt, sieht man die Welt immer mit den Augen eines Schriftstellers. Man kann gar nicht anders.

Susanne Tägder stammt aus Heidelberg. Nach dem Studium in Deutschland und den USA arbeitete sie als freie Journalistin, unter anderem für den Heidelberger Unispiegel und die Hannoversche Allgemeine Zeitung, bevor sie Anwältin in Frankfurt a.M. und anschließend Richterin in Karlsruhe wurde. Nach einem längeren USA-Aufenthalt lebt sie heute mit ihrer Familie in Kilchberg bei Zürich. Ihre Kurzgeschichten und Essays sind in Literaturzeitschriften und auf Online-Plattformen in Deutschland und den USA erschienen. Zur Zeit arbeitet sie an dem Roman „Hüter der Schwäne”.