„Ich lasse mich vom Text und der Idee überzeugen.“

Roswitha Kern, Foto: Andreas Struck

Roswitha Kern ist Literaturagentin bei der Agentur Brauer in München. Sie sucht nach gut geschriebenen Texten und besonderen Ideen. Dabei hat sie immer auch den Markt im Blick. Im Interview spricht sie über Exposees, Agenturverträge und die gemeinsame Arbeit am Text.

Literaturagenturen sind für viele Autorinnen und Autoren die Mittler auf dem Weg zum Buchvertrag. Wie kann ich mich bei einer Agentur zu bewerben? 
Was man genau einreichen soll, darüber informieren die meisten Agenturen auf ihrer Homepage. Es lohnt sich also, da vorher nachzuschauen. Generell ist es üblich, eine Leseprobe und Exposee abzugeben sowie Informationen zum Autor selbst. Die können aber auch im Exposee enthalten sein. 

Was gehört alles ins Exposee?
Nach dem Lesen des Exposees sollte der Agent eine Idee haben, wer hier was schreibt und warum. Ein Exposee enthält die Einordnung in ein Genre, eine kurze Inhaltsangabe, Informationen zum Umfang und womöglich auch zum Stand des Manuskripts. Wichtig sind auch Informationen zum Werdegang des Autors. Viele haben ja noch nicht veröffentlicht, wenn sie sich bei einer Agentur bewerben. Aber vielleicht gibt es Erfahrungen, die darauf hinweisen, dass man gut mit Texten umgehen kann. Jemand hat vielleicht als Journalist gearbeitet, ist in der PR tätig oder hat einen Kurs für kreatives Schreiben besucht. So etwas sollte man mit aufnehmen.  

Die meisten Agenturen wollen zunächst eine Leseprobe, nicht das gesamte Manuskript. Müssen das die ersten Seiten des Textes sein oder kann ich auch eine andere Passage nehmen?
Meiner Erfahrung nach sollte es unbedingt der Anfang sein. Das hat zwei Gründe: Zum einen ist es wesentlich schwieriger, einen Text einzuschätzen, wenn man mittendrin einsteigt. Zweitens: Viele Autoren reichen eine andere Textstelle ein und schreiben als Begründung, dass sie mit dem Anfang nicht zufrieden sind. Ein starker Anfang ist aber wichtig, damit das Manuskript überhaupt eine Chance hat. Er muss so überzeugend sein, dass der Agent und auch die Leser dranbleiben. Wer meint, das bisher nicht geschafft zu haben, sollte nochmal am Text arbeiten und sich erst dann bewerben.  

Muss das Manuskript schon fertig geschrieben sein, wenn ich mich bewerbe? 
Nicht unbedingt. Manchmal ist es sogar hilfreich, wenn das Manuskript noch nicht komplett steht. Dann kann man gemeinsam an der Ausrichtung, dem roten Faden und der Entwicklung des Textes arbeiten. Andererseits: Ein fertiges Manuskript ist mitunter auch ein Pluspunkt – vor allem, wenn der Text bereits ein sehr hohes Niveau hat. Beides ist also möglich.

Verlage und Agenten schauen nicht nur auf die Qualität des Textes, sondern auch auf den Markt. Sollte ich als Autorin den Markt genau analysieren, bevor ich mich bewerbe? 
Eine umfassende Analyse ist nicht unbedingt notwendig. Aber jeder Autor sollte regelmäßig in Buchhandlungen gehen – in größere und kleinere – und sich dort umschauen: Was liegt in Stapeln aus? Was gibt es gar nicht? Auch das Internet bietet natürlich viele Informationen – angefangen bei Amazon bis hin zu Buchbloggern. Vielleicht sollte man mit der Marktanalyse nicht anfangen, wenn die Idee noch ganz neu ist. Das kann blockieren. Vor einer Bewerbung ist so etwas aber sehr hilfreich und kann womöglich auch ins Exposee einfließen.

Wenn ich mich bei mehreren Agenturen gleichzeitig bewerbe – muss ich das im Anschreiben erwähnen? 
Man könnte einfach schreiben: Ich bewerbe mich aktuell bei mehreren ausgewählten Agenturen. Aber natürlich darf man die auch namentlich nennen. Für mich persönlich ist das kein wichtiges Kriterium. Ich gehe davon aus, dass Autoren sich bei mehreren Agenturen bewerben und finde das legitim. Etwas anderes ist es vielleicht, wenn ich mich auf eine persönliche Empfehlung hin bei einem bestimmten Agenten bewerbe und das im Anschreiben auch erwähne. Dann fände ich es fair, offenzulegen an wen ich mich noch wende.    

Worauf sollten Autorinnen und Autoren achten, bevor sie einen Agenturvertrag unterschreiben?
Seriöse Agenturen hierzulande arbeiten auf Provisionsbasis. Der Autor muss also nichts vorab zahlen. Wenn ein Buchvertrag zustande kommt, wird die Agentur prozentual an den Einnahmen beteiligt. Interessant ist auch, welche Autoren bereits bei der Agentur unter Vertrag sind und ob der Auftritt insgesamt professionell wirkt. Wird beim ersten Gespräch ein realistisches Bild gezeichnet oder hat man das Gefühl, es wird zu viel versprochen? Und natürlich: Ist mir der Agent oder die Agentin sympathisch? Das Bauchgefühl spielt immer auch eine Rolle.

Was können Autorinnen und Autoren von Ihnen als Agentin erwarten?
Erstmal eine realistische Einschätzung des Manuskripts: Ich schaue, ob ich da noch Überarbeitungsbedarf sehe oder ob der Text bereits so rund ist, dass wir ihn anbieten könnten. Ich finde es wichtig, so etwas möglichst schon vor der Vertragsunterzeichnung zu besprechen. Dann weiß der Autor, worauf er sich einlässt. Wenn der Vertrag unterzeichnet ist, folgt eine Phase, in der ich gemeinsam mit dem Autor an dem Projekt arbeite und es soweit vorbereite, dass wir es Verlagen anbieten können. Wenn das Projekt bereits in diesem Stadium ist biete ich es möglichst rasch auf einer der nächsten Messen an. Bei manchen Projekten kann es auch sinnvoll sein, den Text erstmal an einen bestimmten Lektor zu schicken von dem ich weiß: Der könnte nach so etwas suchen. Wenn es dann Interesse von einem oder mehreren Verlagen gibt, folgt eine unserer wichtigsten Aufgaben: Faire und strategisch sinnvolle Konditionen für unsere Autorinnen und Autoren zu erreichen. Dabei geht es uns nicht nur um den Vorschuss, sondern auch um Dinge wie Platzierung und Marketing. Später kümmert sich die Agentur dann um die Vertragsverhandlungen mit dem Verlag und die Honorarabrechnungen.

Was für Texte suchen Sie aktuell?
Derzeit sind Romance-Stoffe sehr gefragt. Insofern ist das etwas, was ich auch verstärkt suche. Im Kinderbuch halte ich die Augen nach fantastischen Stoffen für die Zielgruppe ab zehn Jahren offen. Sonst habe ich kein bestimmtes Suchkriterium, sondern lasse mich vom Text und der Idee überzeugen. Im Sachbuch ist es noch einmal anders: Da akquirieren wir die Projekte eher selten aus einer Bewerbung heraus. Oft suchen wir aktiv einen Autor für ein bestimmtes Thema. 

Für den nächsten Sommer planen Sie bei der Textmanufaktur ein Retreat für Autorinnen und Autoren. Worum geht es?
Das Retreat soll eine Auszeit sein, um intensiv am eigenen Text arbeiten zu können. Ich stelle mir eine Kombination aus Schreibzeiten und dem Austausch in der Gruppe und mit mir vor. Das kann einen Text nochmal anders voranbringen, als wenn man allein zu Hause daran arbeitet. 

Den Termin des Retreats finden Sie in Kürze auf den Seiten der Textmanufaktur. Tipps rund um das Exposee finden Sie hier.

Roswitha Kern ist gelernte Verlagsbuchhändlerin, studierte an der Universität München Buchwissenschaft und in Padua Kommunikationswissenschaft. Nach Stationen bei Ullstein, Heyne, List und der Verlagsgruppe Random House arbeitete sie über 15 Jahre als Agentin bei Agence Hoffman. Seit 2022 ist sie als Agentin bei der Agentur Brauer tätig.