„Ich reise immer an die Schauplätze.“

Foto: Kerstin Muth

Sandra Åslund schreibt Krimis – und das sehr erfolgreich. Wie aus ihrem Hobby ein Beruf wurde, welche Rolle dabei die Textmanufaktur spielte und warum sie gern vor Ort in den schwedischen Wäldern recherchiert, darüber spricht sie im Interview.

Sandra Åslund, Sie haben Lehramt studiert, als Maskenbildnerin am Theater gearbeitet – und nun sind Sie Krimiautorin. Gibt es Berührungspunkte zwischen Ihren verschiedenen Berufen?
In allen drei Berufen ist das psychologische Einfühlungsvermögen extrem wichtig, wenngleich auf unterschiedliche Weise. Ob ich mich in meine Schülerinnen und Schüler hineinfühle, in die Person, die auf dem Schminkstuhl vor mir sitzt und in deren intime Distanzzone ich unweigerlich eindringe, oder in die Charaktere meines Buches. Ohne ein Interesse an Menschen und vor allem ohne eine gewisse Empathie wird es schwierig.

Wann haben Sie mit dem Schreiben angefangen?
Meinen ersten Roman habe ich mit elf Jahren begonnen. Die 50 Din-A-5 Blätter, die ich in den Schulpausen mit Bleistift vollschrieb, habe ich noch immer. Beim letzten Umzug habe ich sie wiederentdeckt. Teilweise musste ich schmunzeln, teilweise war ich überrascht über meine damaligen dramaturgischen Ideen und Formulierungen. „Kerrys Abenteuer“ ist eine Geschichte, die im Wilden Westen spielt, mit vielen Pferden und einer starken Protagonistin – das Faible für letzteres hatte ich also schon ziemlich früh.

Wie hat das Fernstudium bei der Textmanufaktur Ihr Schreiben beeinflusst?
Mit dem Fernstudium hat alles angefangen. Hier habe ich das Handwerkzeug fürs Prosaschreiben gelernt. Wenn ich mir heute ansehe, was und wie ich zuvor geschrieben habe – dazwischen liegen Welten. Dieses Handwerkzeug zu kennen und es verinnerlicht zu haben, verleiht mir eine große Sicherheit beim Schreiben. Außerdem hat meine Mentorin, mit der ich im Rahmen des Studiums an meinem ersten Kriminalroman gearbeitet habe, mich an eine Agentur weiterempfohlen, die wiederum das Projekt an einen Publikumsverlag vermittelte. Eines führte zum anderen, als hätte ich mit der Entscheidung für das Studium eine Tür aufgestoßen, durch die ich mich unweigerlich, Schritt für Schritt, in Richtung professionelles Schreiben bewegt habe, und aus dem ehemaligen Hobby wurde schließlich ein Beruf.

Gab es eine Situation, wo Sie das Gefühl hatten: Jetzt bin ich wirklich Autorin?
Ich erinnere mich an den Moment, als mein erster Provence-Krimi sich als E-Book so gut verkaufte, dass ich eine ordentliche Auszahlung bekam, da dachte ich zum ersten Mal: Wow, jetzt ist es auch auf dem Papier nicht mehr nur ein Hobby. Aber grundsätzlich war das ein schleichender Prozess über verschiedene Stationen: Der erste Vertrag, die erste Buchveröffentlichung, der Ausbau zur Reihe, der Wechsel ins Taschenbuchprogramm und schließlich die Auktion, bei der ein Spitzentitel herauskam. Spätestens da fühlte ich mich wirklich als Autorin.

Ihre ersten beiden Krimireihen spielen in Frankreich, Ihre neue Trilogie in Schweden. Was hat Sie vom Süden Europas in den hohen Norden verschlagen?
Die Liebe. Ich habe einen Schweden geheiratet und bin mit ihm und unserer gemeinsamen Tochter vor ein paar Jahren nach Småland gezogen. Da lag es nahe, auch literarisch hierhin umzusatteln. Zwar gibt es bereits unzählige Krimis, die in diesem Land spielen, doch meine Situation als deutsche Schriftstellerin, die in Schweden lebt, ist besonders. Dadurch habe ich einen anderen Blickwinkel als schwedische Autorinnen und Autoren, nehme die feinen Unterschiede in der Mentalität wahr. Da ich meiner schwedischen Protagonistin deutsche Wurzeln mitgegeben habe, kann ich diesen Blickwinkel durch sie transportieren.

Der Auftakt zu Ihrer Schweden-Trilogie „Im Herzen so kalt“ ist ein Spitzentitel im Herbstprogramm von Ullstein. Wie haben Sie das geschafft?
Ohne meine Agentin wäre ich jetzt nicht dort, wo ich bin. Ferner:  Eine Mischung aus harter Arbeit, täglichem Aufraffen und Disziplin gepaart mit einer Portion Glück, Schicksal oder Fügung – wie auch immer man es nennen möchte. Auf jeden Fall kamen die Themen, die in dem Projekt eine Rolle spielen, wie zum Beispiel der Umgang der Schweden mit dem Wald in Zeiten des Klimawandels, sicherlich zum richtigen Zeitpunkt.

Gab es auch Rückschläge, Situationen, in denen Sie alles hinschmeißen wollten?
Mehrfach! Ich hatte zwei richtig heftige Tiefpunkte, in denen ich ernsthaft mit dem Gedanken spielte, mir einen anderen Job zu suchen, und die ich nur mithilfe meiner Familie und meiner Agentin gemeistert habe. Daneben gab es diverse kleinere Krisen, eigentlich ist es ein ständiges Auf und Ab. Was ich aber in all den Jahren gelernt habe und allen angehenden Autorinnen und Autoren dringend mitgeben möchte, ist das Stichwort „Eigeninitiative“.

Was ist Ihnen bei der Recherche für einen Krimi besonders wichtig?
Eine größtmögliche Authentizität bei den Orten, an denen meine Geschichten spielen. Ich reise immer an die Schauplätze, nach Möglichkeit auch gern mehrfach. Vieles lässt sich heutzutage leicht im Internet recherchieren, aber das Gefühl, in eine Landschaft einzutauchen, die Gerüche, Geräusche – das muss ich selbst erleben. Was die ermittlungstechnische Arbeit betrifft, ist mir der Austausch mit Experten ganz wichtig. Kriminalpolizei, Kriminaltechnik, Rechtsmedizin – ich bin jedes Mal sehr dankbar, wenn sich Menschen, die in diesen Berufen tätig sind, Zeit nehmen und mich an ihrem Erfahrungsschatz teilhaben lassen.

Was empfehlen Sie Debüt-Autorinnen und -Autoren, die noch keinen Verlag für ihren Krimi gefunden haben?
Dranbleiben! Aufs Bauchgefühl hören. Themen finden, für die man brennt. Den eigenen Stil entwickeln, und nicht schreiben wollen wie xy-Bestseller-Autor. Wir haben in Deutschland eine immense Bandbreite an Verlagen, neben den großen Publikumsverlagen gibt es zahlreiche mittelgroße und kleine, die großartige Arbeit leisten. Von meiner Agentin weiß ich, dass Verlage ständig auf der Suche nach guten Krimistoffen sind.

Sandra Åslund ist am Niederrhein aufgewachsen. Sie studierte Deutsch, Französisch und Musik auf Lehramt, bevor sie sich zur Maskenbildnerin an der Oper Köln ausbilden ließ. Neben ihrer Arbeit am Theater absolvierte sie ein Fernstudium bei der Textmanufaktur. Sandra Åslund veröffentlichte zwei Krimireihen, die in der Provence und an der südfranzösischen Atlantikküste spielen. Aktuell schreibt sie an einer Schweden-Krimi-Trilogie, deren erster Teil im Herbst 2023 erschienen ist. Sie lebt mit ihrer Familie im schwedischen Småland.