„Denken wie ein Agent – zumindest probeweise“

Autoren denken anders als Agenten, und das ist auch gut so, meint Adam Heise von der Agentur Simon. Warum ein neuer Blickwinkel trotzdem helfen kann und welche Texte ihn überzeugen, darüber spricht er im Interview.

Adam Heise, Sie sind Literaturagent bei der Agentur Simon. Wie viele Manuskripte prüfen Sie im Monat ungefähr?
Texte kommen auf ganz unterschiedlichen Wegen zu uns und werden von verschiedenen Kolleginnen und Kollegen hier in der Agentur geprüft, so dass es schwer ist, eine Zahl zu nennen. Neu unter Vertrag nehmen wir vielleicht eine Autorin oder einen Autor pro Monat.

Und bei den Texten, die Sie ablehnen: Gibt es da bestimmte Probleme oder Schwächen, die Ihnen besonders häufig auffallen?
Ich würde natürlich lieber über Stärken sprechen, aber dazu kommen wir ja bestimmt noch. Ein Grund für Absagen, der sich wiederholt, kann in einer gewissen Unentschlossenheit eines Textes liegen: Manchmal ist nicht klar, was eigentlich erzählt werden soll, manchmal auch nicht, zu was für einem Genre der Text gehören will, und manchmal passen Form und Inhalt nicht zusammen. Stark verallgemeinert gesprochen: Ein Krimi muss eben einen starken Plot haben, ein literarischer Roman muss mich – auch – über seine Sprache kriegen.

„Denken wie ein Agent: Wie überzeuge ich mit meinem Text?“, so ist Ihr Vortrag beim Autorensalon der Textmanufaktur in Leipzig überschrieben. Denken Autoren anders als Agenten?
Autorinnen und Autoren denken natürlich weniger in Kategorien des Buchmarkts. Und das ist ja zunächst mal auch gut so! Würden sie immer gleich den Buchmarkt mitdenken, entstünde vermutlich nur noch Einheitsware. Und es ist ja eben auch die originäre Aufgabe von uns Agentinnen und Agenten, bei der gemeinsamen Arbeit am Text und vor allem bei der Verlagssuche den Buchmarkt mitzudenken. Und dennoch: Auch Autoren kann man immer raten, die Neuerscheinungen der Kollegen zu lesen. Aber auch sich einmal zu überlegen, welches Buch in welchem Programm erscheint, wo Genregrenzen verlaufen, wie man seinen Roman in einen Klappentext fassen würde. Also zumindest probeweise einmal zu denken wie ein Agent, das kann schon auch Autoren helfen.

Was braucht ein Text, um Ihr Interesse zu wecken?
Generell gesprochen: Eine Souveränität und Konsequenz im Erzählen. Ganz egal, ob formbewusste Feuilletonliteratur oder süffiger Liebesroman: Texte müssen mir vom ersten Satz an zeigen, dass sie genau so erzählt werden müssen, dass ihre erzählerischen Mittel bewusst und zielführend eingesetzt werden. Im speziellen Fall kommt es dann ganz darauf an: Bei Lukas Rietzschels Debüt „Mit der Faust in die Welt schlagen“ hat mich beispielsweise als erstes das Thema – Aufwachsen im Nachwende-Sachsen – interessiert, da es mir noch nicht oft erzählt schien. Bei einem Roman wie „Mikadowälder“ von Marie-Alice Schultz kann man das Thema hingegen gar nicht so klar benennen: Hier haben mich vor allem die liebevoll gezeichneten Figuren sofort für den Text eingenommen.

Die Absage auf einen Text, in dem oft jahrelange Arbeit steckt, empfinden viele als Rückschlag. Was raten Sie Autoren, die bei Ihnen keinen Erfolg hatten?
Zunächst einmal ist jede Absage natürlich eine subjektive, wie wir es auch am anderen Ende immer wieder erleben: Manuskripte, die wir mit Erfolg vermittelt haben und die ihren Weg auf dem Buchmarkt gegangen sind, wurden zuvor von dutzenden Verlagen abgesagt. Autorinnen und Autoren sollten aber auch wissen, dass wir als Agentur nur größere und ausgewählte kleinere Publikumsverlage abdecken. Manches Manuskript mag eine schöne Heimat in einem kleinen spezialisierten Verlag finden, und von den Möglichkeiten des Self-Publishing haben wir da noch gar nicht gesprochen. Autoren, deren Manuskript wir vielversprechend finden und das uns vielleicht nur knapp nicht überzeug hat, melden wir auch zurück, dass sie uns gerne einmal neues Material schicken können. Manchmal hat man ja einfach nur noch nicht den richtigen Stoff oder die richtige Form für sich gefunden.

Adam Heise studierte Anglistik, Komparatistik und Philosophie in Freiburg, Berlin, Canterbury und Marseille. Nach Stationen im Lektorat des Rowohlt Taschenbuchverlags und bei Rowohlt Berlin ist er seit 2015 Literaturagent für Belletristik bei der Literarischen Agentur Simon.