„Ich setze innere Bilder in Text um.“

Der Fotograf JoFrancis van den Berg gehört zu den Gewinnern des narrativa-Schreibwettbewerbs. Im Interview spricht er über das Verhältnis von Fotografie und Literatur und sein autobiographisches Romanprojekt.

JoFrancis van den Berg, Sie haben viele Jahre als Fotograf gearbeitet, in der Werbung, künstlerisch und für Magazine wie „Spiegel“ und „Stern“. In welchem Verhältnis stehen Fotografieren und Schreiben für Sie?
Für mich war Schreiben schon immer wichtig, wohl auch, weil mein Vater Verleger war und ich schon früh mit Literatur und mit Schriftstellern in Kontakt kam. Als Kind wollte ich selbst Schriftsteller werden. Dann habe ich mit 14 Jahren eher zufällig die Fotografie entdeckt. Später bin ich auf die Bilder von René Magritte gestoßen, die mich sehr fasziniert haben. Magritte hat diese Bild-Wort-Liaison zum Thema gemacht. Wir kennen das alle: Er malt eine Pfeife und schreibt „Ceci n’est pas une pipe“. Das ist eine tiefe Auseinandersetzung zwischen Bild und Wort, die mich seit Langem begleitet.
Auch in der Werbung war ich immer wieder mit der Bedeutung des geschriebenen Wortes konfrontiert. In den Agenturen hatten nicht die Art-Direktoren das letzte Wort, sondern die Texter. Noch ausgeprägter war das in der redaktionellen Arbeit, bei „Stern“ und „Spiegel“. Es stand ein Thema im Raum, das es zu bebildern galt. Da lernt man als Fotograf, Bilder zu machen, die sehr schnell und unmissverständlich kommunizieren. Für mich war das eine gute Schule.

Seit ein paar Jahren konzentrieren Sie sich verstärkt aufs Schreiben. Einer Ihrer Texte wurde jüngst beim narrativa-Schreibwettbewerb ausgezeichnet. Wie prägt Ihre Erfahrung als Fotograf Ihr Schreiben? 
Man kann nur gut fotografieren, wenn man gut wahrnehmen kann, egal in welchen Bereichen man Fotos macht. Und das gleiche gilt für das Schreiben. Durch die Werbung und die Arbeit für Redaktionen habe ich in Bildern erzählt. Jetzt ist es anders herum: Ich erzähle in Worten, aber auf eine bildliche Art. Man sagt ja auch: Show, don’t tell. Beim Schreiben meines autobiographischen Romans – den Prolog dazu habe ich beim narrativa-Schreibwettbewerb eingereicht – konnte ich auf meine starken bildlichen Erinnerungen zurückgreifen. Es ging mir darum, diese inneren Bilder in Text umzusetzen, in der Hoffnung, dass der Leser dann die gleichen Bilder vor Augen hat. 

Sie sind in Belgien aufgewachsen, haben lange Zeit in Deutschland gelernt und gearbeitet. Heute leben Sie auf Mallorca. In welcher Sprache fühlen Sie sich am meisten zu Hause? 
Ich bin in Brüssel geboren, mein Vater kam aus Holland, meine Mutter aus Antwerpen. Meine Muttersprache ist Niederländisch. Und Flandern ist für mich eine unglaubliche Quelle an Poesie, vor allem die flandrische Literatur aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Leider sind diese Texte wenig bekannt, einfach weil die Sprache nicht so verbreitet ist. Als ich Mitte der 1970er Jahre nach Deutschland kam, hatte ich auch meine Schreibmaschine dabei. Ich habe parallel zur Fotografie geschrieben, zunächst auf Niederländisch. Meinen ersten Roman habe ich aber nach 150 Seiten abgebrochen, einfach weil ich den Eindruck hatte: Fotografieren kann ich besser als Schreiben.

Heute Schreiben Sie auf Deutsch und Englisch. Warum?
Als ich mit dem Schreiben wieder angefangen habe, lebte ich bereits viele Jahre in Deutschland. Als ich anfing, sogar auf Deutsch zu träumen, lag das für mich nahe. Außerdem hatte ich schon als Kind eine große Affinität zum Deutschen, durch die Literatur und durch unsere Familienurlaube in Österreich. Lyrik schreibe ich sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch. Weil man da im Englischen sprachlich viel mehr Möglichkeiten hat.

Was war der Anlass, den Schwerpunkt auf das Schreiben zu legen?  
Werbung zielt letztlich auf Manipulation, darum habe ich mich mehr und mehr von der Werbefotografie abgewandt. Ich hatte das Gefühl: Jetzt geht etwas zu Ende. Wer künstlerisch unterwegs ist, der weiß, dass das Bauchgefühl ganz wichtig ist. Dass es Themen gibt, die man nicht rational strukturiert oder plant. Darum war mir klar, dass es Zeit für etwas Neues ist. Ein autobiographischer Roman erschien mir erst einmal das Naheliegendste. Vielleicht auch, weil die Themen da bereits vorhanden sind. Ich habe einfach angefangen, den Prolog zu schreiben, ohne vorauszuplanen oder zu strukturieren und war überrascht, wie leicht es mir fiel. Dann wurden aus den ersten drei Seiten sehr schnell 500 und schließlich 600 Seiten.

Welche Pläne haben Sie mit Ihrem autobiographischen Roman?
In den nächsten drei bis fünf Monaten will ich den Text nochmal überarbeiten. Wenn ich damit fertig bin, werde ich eine Bewerbung mit Exposee und Textprobe an Agenturen schicken. Es wäre natürlich schön, wenn daraus ein Buch würde, aber das ist für mich nicht existentiell. Denn der Text ist auch eine Problembewältigung, etwas, das ich für meine Familie und für mich geschrieben habe. Außerdem arbeite ich noch an zwei anderen Projekten, einer Novelle mit kriminalistischem Plot und einem Kinderbuch. Mir ist es dabei nicht wichtig, irgendein Genre zu bedienen, sondern es geht mir vor allem darum, Werte zu vermitteln, so dass sie für den Leser nachvollziehbar sind.

JoFrancis van den Berg, geboren in Brüssel, studierte Fotografie und Film an der belgischen Schule NARAFI. Er arbeitete als Fotograf in Den Haag, in London und in Hamburg bei Reinhart Wolf. 1978 eröffnete er sein erstes eigenes Studio in Hamburg und arbeitete über 25 Jahre in den Bereichen Editorial und Werbung für Unternehmen und Marken. Seine Fotos sind unter anderem in „ Essen & Trinken“, dem „Stern“ und „Spiegel“ erschienen. Seit einigen Jahren wendet er sich verstärkt dem Schreiben zu.