„Meine Romanfiguren haben mich ständig begleitet.“

Die Autorin Heidi Grund-Thorpe spricht über unsympathische Figuren, die vorgeblich heile Welt in den Alpen und ihr Schreiben. Und sie sagt, warum man Lieblingsstellen manchmal streichen muss. 

Heidi Grund-Thorpe, Sie haben den Sprung ins Programm eines renommierten Buchverlags geschafft. In diesem Jahr ist Ihr zweiter Roman bei Piper erschienen. Sie schreiben aber schon länger. Seit wann?  
Bücher sind seit mehr als 25 Jahren mein Metier, allerdings zu Sachthemen. Ich habe für Erwachsene und Kinder zu verschiedenen kreativen Themen veröffentlicht, vom Basteln über das Stricken bis zum Nähen und Dekorieren. Mit dem Schreiben an meinem Roman habe ich 2016 begonnen. 

Gab es dafür einen bestimmten Impuls oder Auslöser?
Ich hatte schon länger den Wunsch, einen Roman zu schreiben. 2015 kam ich an einen Wendepunkt in meinem Leben; da war für mich der richtige Moment gekommen. Um die Zeit erübrigen zu können, habe ich meine freie Mitarbeit bei einem Garn- und Stoffhersteller aufgegeben. 

Im selben Jahr haben Sie auch ein Fernstudium „Prosaschreiben“ bei der Textmanufaktur begonnen. Hat das Ihren Roman vorangebracht?  
Schon nach kurzer Zeit habe ich angefangen, die Aufgabenstellungen in Hinblick auf meine Romanidee zu bearbeiten. Am Ende hatte ich eine Sammlung verschiedener Kapitel, die ich anschließend dem Plot, den ich zwischenzeitlich mehrfach geändert hatte, anpassen musste. Die Reflektionen und Anregungen der Lektorin von der Textmanufaktur waren für mich besonders wichtig, auch wenn es ums Streichen und Weglassen ging. 

Was war das Schwierigste für Sie?
Passagen zu streichen, die ich ursprünglich besonders schön fand, die sich im Laufe des Schreibens jedoch als überflüssig oder sogar irreführend erwiesen. Dieser Prozess des Loslassens fiel mir sehr schwer. 

Haben Sie während der Arbeit an Ihrem Roman etwas Neues übers Schreiben gelernt? 
Es war für mich ein äußerst interessantes Erlebnis, dass ich mit den Romanfiguren praktisch gelebt habe. Sie waren meine täglichen Begleiter, nicht nur beim Schreiben, sondern auch im Alltag. Und es entwickelte sich mit der Zeit eine Art Verständnis für die schwierigeren Typen, sie wurden damit sympathisch – wie im richtigen Leben auch manchmal. Ich hatte großen Spaß daran, die skurrilen Charaktere auszuarbeiten und ihr Auftreten, ihre Sprech- und Handlungsweise einzufangen. Manche entwickelten ein regelrechtes Eigenleben.

Ihre Romane spielen in den bayerischen Alpen und werden vom Verlag als „moderne Heimatromane“ beworben. Was war der Anstoß für dieses Setting?
Die Heimat in den Bergen ist tatsächlich in beiden Romanen der Schwerpunkt, darüber hinaus geht es aber auch um andere Themen, wie die Beziehungen zwischen Großmüttern und ihren Enkelinnen und um den Versuch, ein Zuhause zu finden und damit die Heimat wiederzufinden. Mich faszinieren die Berge als Handlungsort, weil ich selbst gerne in den Alpen unterwegs bin. Dabei habe ich immer wieder festgestellt, dass die touristisch gern vermittelte heile Welt durchaus auch ein Trugbild sein kann und oft brüchig ist. 

Wie haben Sie einen Verlag gefunden? 
Durch meine jahrelange Arbeit für die verschiedensten Verlage haben sich Freundschaften über die Arbeit hinaus ergeben. Ich bat zwei Bekannte um ihren Rat und erhielt den Tipp, mich bei Piper mit dem Exposé zu bewerben. Das könne „dort ganz gut reinpassen“. Und so hatte mein allererster Versuch gleich Erfolg – sicher ein seltenes Glück.

Oft heißt es ja, das zweite Buch sei schwieriger als das erste, weil es so viele Erwartungen gibt – eigene und auch vom Verlag. Wie war das bei Ihnen?
Ich kann nicht behaupten, dass die Erwartungshaltung eine andere war, denn sie ist ständig vorhanden. Angefangen bei der Frage, ob der Verlag das Exposé befürwortet bis hin zu dem Punkt, wenn die Lektorin den ersten Durchgang abgeschlossen hat. Beim zweiten Roman waren mir einige Abläufe schon vertraut und ich kannte meine eigenen Stolperstellen. Textpassagen oder auch ganze Kapitel loszulassen, fiel mir leichter als beim ersten Roman. Denn ich wusste, es ist sinnvoll und bringt mich weiter. 

Heidi Grund-Thorpe, geboren 1960 in Oberfranken, studierte Mode- und Grafikdesign und war Redakteurin bei einem Frauenmagazin. Seit vielen Jahren arbeitet sie als selbstständige Autorin und Producerin von Do-It-Yourself-Titeln. 2021 erschien ihr erster Roman bei Piper, 2022 folgte der zweite, der ebenfalls in einem Bergdorf in den bayerischen Alpen spielt. Heidi Grund-Thorpe lebt in Oberbayern.