„Büchermachen ist auch ein Markt.“

Foto: Barbara Donaubauer

Literaturagent Oliver Brauer über Berufsschreiberinnen und Autoren aus Leidenschaft, über die Regeln des Buchmarkts und den Weg zum Veröffentlichen.   

Oliver Brauer, als Literaturagent vermitteln Sie zwischen Autor und Verlag. Mal ketzerisch gefragt: Brauche ich als Debütantin unbedingt eine Agentur oder kann ich mich auch gleich an die Verlage wenden? 
Beides ist möglich, aber meiner Meinung nach gibt es eine goldene Regel: Man sollte entweder direkt mit den Verlagen sprechen oder sich schon zu Beginn eine Agentur suchen. Wer bei 20 Verlagen eine Absage bekommen hat, wird kaum eine Agentur finden, die dann die nächsten 20 Verlage kontaktiert.

In welchen Fällen kann es sinnvoll sein, direkt beim Verlag anzufragen?
Wenn Sie in einem Feld publizieren wollen, wo Sie sich gut auskennen. Ein Beispiel: Sie schreiben ein Buch über Orgelbauen und kennen sowieso alle deutschen Verlage in dieser thematischen Nische. Dann ist es vermutlich wenig sinnvoll, bei der Kontaktaufnahme mit einer Agentur zusammenzuarbeiten. Wenn Sie unsicher sind, welche Honorare und Konditionen Sie erwarten können oder generell gern einen Partner für kreative und organisatorische Fragen an Ihrer Seite hätten, dann wiederum könnte sich eine Agentur doch empfehlen.

Gehört die Arbeit am Text auch zu den Aufgaben einer Agentur?
Das handhaben die Agentinnen und Agenten sehr unterschiedlich. Es gibt Leute, die fassen Texte überhaupt nicht an und andere, die extrem eng mit der Autorin oder dem Autor daran arbeiten.

Sollte ich die Agentur auch nach solchen Kriterien auswählen – oder kann ich als Debütautorin froh sein, wenn ich überhaupt jemanden finde, der mich vertritt? 
Bitte kein übermäßiger Respekt vor Agentinnen und Agenten! Da gibt es so eine Hohepriesterei, die nicht angemessen ist. Es ist wichtig, sich zu Beginn möglichst klar zu machen, welche Bedürfnisse man hat und was man sucht. Brauche ich vor allem das Netzwerk oder mehr die Beratung? Suche ich ein kreatives Gegenüber, einen Sparringpartner, um die nächsten Schritte zu besprechen? Solche Fragen sollte man auf jeden Fall im Erst- oder Zweitgespräch klären.

Oft fällt es schwer, den eigenen Text aus der Hand zu geben. Eine Absage kann sich wie eine persönliche Ablehnung anfühlen. Wie gewinne ich mehr innere Distanz?
Ich glaube, es ist sinnvoll, sich vorher zu überlegen: Was für ein Autor, was für eine Autorin will ich sein? Wo passe ich am besten hin? So bekommt man einen etwas distanzierteren Blick auf das eigene Werk, kann es besser beurteilen und nimmt eine Absage vielleicht nicht so persönlich. Auf der anderen Seite sitzen auch nur Menschen, die das Manuskript nach bestimmten Kriterien beurteilen, aber die auch ihren persönlichen Geschmack haben. 

Herausfinden, was für ein Autorentyp man ist – darum geht es auch in Ihrem Online-Seminar bei der Textmanufaktur. Was für Typen gibt es denn?  
Ich habe sechs verschiedene Typen herausgearbeitet, die sich zum Beispiel hinsichtlich der Schreibmotivation unterscheiden. Es gibt zum Beispiel Menschen, die schreiben, um sich einen Zusatzverdienst aufzubauen. Andere schreiben, weil sie einen kreativen Schaffensdruck haben. Dahinter stehen sehr unterschiedliche Bedürfnisse – und damit sind auch verschiedene Wege verbunden, um ans Ziel zu kommen. Wer sich beispielsweise ein zweites Standbein aufbauen will und in einer thematischen Nische Sachbücher schreibt, der denkt vielleicht über Self-Publishing nach. – Warum überhaupt einen Verlag suchen, wenn ich in meinem Bereich sowieso jeden kenne? Ein Belletristik-Autor, der aus Leidenschaft und eher langsam schreibt, könnte zum Beispiel schauen: Wo passe ich thematisch gut hin? Wo erscheinen Bücher, die so ähnlich sind wie das, was ich schreibe? Lektorinnen und Lektoren betrachten ein Projekt immer von mehreren Seiten – angefangen bei der literarischen Qualität, über Wünsche des Verlagsprogramms bis zur Autorinnen- oder Autorenpersönlichkeit. Auch das sollte man berücksichtigen.

Vor allem das erste Manuskript entsteht oft intuitiv und nicht mit Blick auf das, was am Markt gefragt ist. Sollte man sich als Neuling erstmal über Trends informieren und dann schreiben, was gerade gekauft wird?
Trends innerhalb der Genres zu erkennen, ist für einen Anfänger sehr, sehr schwer. Ich rate dazu, sich über den Markt und die Genres zu informieren. Die Schubladen des Genres sollte man eher nicht verlassen und nur vorsichtig ausdehnen. Wenn Sie zum Beispiel einen Krimi schreiben wollen, schreiben Sie nicht unbedingt einen lustigen Krimi! Denn es gibt nur wenige, die das gut können. Wer veröffentlichen will, sollte recherchieren, statt alles als Wundertüte zu betrachten. Büchermachen ist ja auch ein Markt, und man sollte sich damit beschäftigen, wie es abläuft.

Wie und wo informiere ich mich über Markt und Genre?  
Das ist unterschiedlich, je nachdem, ob Sie ein Sachbuch, Belletristik oder ein Kinderbuch schreiben wollen. Ein Sachbuchautor identifiziert die für ihn am besten passenden Verlage, eine Belletristik-Autorin informiert sich erstmal über die Mechanismen im Belletristik-Betrieb, und ein Kinderbuchautor ist wiederum gut beraten, sich die Struktur von Verlagsprogrammen anzuschauen. Dort sind die Zielgruppen dieses Bereichs recht klar segmentiert.

Ständig auf den Markt schielen, das kann den kreativen Prozess aber auch blockieren, oder?
Da würde ich zwischen Werk und der Person des Autors oder der Autorin unterscheiden. Ich halte es für sinnvoll, erstmal zu schauen, warum und wie ich schreibe, was ich damit erreichen will. Beim Schaffen selbst sollte man sich aber möglichst wenig durch vermeintliche Trends einschränken lassen.

Vom 10. bis 12. Dezember 2022 geht es im Online-Seminar mit Oliver Brauer um „Klarheit und Strategie bei der Verlagsfindung“. Anmeldung und Information

Oliver Brauer arbeitete bei Ullstein, Heyne, List, anschließend bei der Agence Hoffman und hat sich 2009 mit seiner Agentur selbständig gemacht.