„Literatur, die unbedingt in die Welt gehört.“

(c) Ilka Winkler

Anna Jung, Programmleiterin bei Voland & Quist, spricht über Mut beim Büchermachen, schräge Literatur und darüber, wie es ist, als Verlag volljährig zu werden. 

Anna Jung, Anfang September haben sie die Programmleitung bei Voland & Quist übernommen. Wie gut kannten Sie den Verlag vorher?   
So wie man sich eben kennt, unter Kollegen, vor allem in den unabhängigen Verlagen. Ich habe zehn Jahre lang bei Jung und Jung in Österreich gearbeitet, einem unabhängigen Verlag mit eher klassischem Programm. Ich freue mich, nun mit vielen jungen Autorinnen und Autoren zu arbeiten, mit unterschiedlichen und auch mutigen Texten und mit Kinderbüchern. Das war schon immer mein Traum. In Österreich gibt es staatliche Subventionen für unabhängige Verlage, was für viele ein großes Glück ist. Ich habe immer mit Bewunderung auf die kleinen, aufstrebenden Verlage in Deutschland geschaut und mich gefragt: Wie bekommen die das ohne finanzielle Unterstützung hin? Jetzt bin ich mittendrin.  

Und wie bekommt Voland & Quist das hin?  
Ich glaube, das hat sehr viel mit Offenheit zu tun und mit dem Willen, Neues auszuprobieren, Dinge zu wagen. Leif Greinus und Sebastian Wolter haben den Verlag vor 18 Jahren gegründet. Inzwischen arbeiten hier zehn Leute in sehr unterschiedlichen Bereichen. Zum Verlag gehört die edition AZUR mit einem Schwerpunkt auf Lyrik, außerdem V&Q Books, wo englische Übersetzungen deutscher Titel erscheinen. Angegliedert ist auch eine Künstleragentur. Dass wir so ein weites Feld beackern, trägt zum Erfolg bei, weil sich die verschiedenen Bereiche gegenseitig finanziell stützen.

Voland & Quist steht für eine junge, urbane Literatur. Im Programm finden sich bekannte Namen wie Marc-Uwe Kling, Ahne oder die Bachmann-Preisträgerin Nora Gomringer. Hat die Verlagsleitung ein Gespür für Autorinnen und Autoren mit Potenzial?
Auch das hat mit Mut und Offenheit zu tun. Wir haben viele Titel im Programm, an die andere sich nicht herangetraut hätten und die jetzt erfolgreich sind. Jüngstes Beispiel ist das Buch „Ist hier das Jenseits, fragt Schwein“ von Noemi Somalvico – ein kleiner, unkonventioneller Roman, der mehrfach ausgezeichnet wurde und auf der Hotlist der Unabhängigen Verlage 2022 steht. 

 Machen Sie eine Mischkalkulation, wie die großen Verlage, um solche Bücher zu finanzieren?
Nein, in dieser Form nicht.Wir würden ein Buch nicht allein des Geldes wegen veröffentlichen. Dieses Jahr haben wir den Deutschen Verlagspreis erhalten und Leif Greinus wurde mit dem Hamburger Verlegerpreis ausgezeichnet. So etwas hilft natürlich auch finanziell, um ein gutes Programm zu machen.
 
Wie entscheiden Sie, ob ein bestimmtes Buch, ein neuer Autor oder eine neue Autorin ins Programm kommt?  
Wir entscheiden das in der Geschäftsleitung gemeinsam. Nur wenn Leif Greinus, Ilka Winkler und ich hinter einem Buch stehen, veröffentlichen wir es auch. Die Verkäuflichkeit steht dabei nicht an erster Stelle. Es geht vielmehr um die Idee, Literatur herauszubringen, die unbedingt in die Welt gehört, auch wenn die Leserschaft vielleicht nicht riesig ist. Ich liebe gute Geschichten – aber noch wichtiger ist die Sprache und die Art, wie erzählt wird. Ich muss mich in ein Buch verlieben können.   

 Wie sind Ihre Pläne für die nächsten Programme?
Wir haben uns vorgenommen, unser Programm noch stringenter zu gestalten. Es soll künftig immer mindestens ein Kinderbuch dabei sein. In der edition AZUR soll neben Lyrik vermehrt auch Prosa erscheinen, wie jetzt bereits Carl-Christian Elzes Roman „Freudenberg“, der auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis steht. In diesem Jahr feiert Voland & Quist seinen 18. Geburtstag. Auch damit wollen wir zeigen: Wir werden volljährig! Und wir machen durchaus ernsthafte Literatur. Unser Publikum, das sind nicht bloß die 18 bis 35-jährigen. Unsere Zielgruppe reicht „von 3 bis 99“, wie es bei Brettspielen immer so schön heißt.  

Anna Jung ist seit 25 Jahren in der Literaturbranche tätig. Nach mehreren Jahren als Buchhändlerin in Wien und München gründete und gestaltete sie das Internetportal zehnSeiten.de maßgeblich mit. Sie arbeitete in der Pressestelle des Kunstmann Verlags und danach fast zehn Jahre bei Jung und Jung. Seit September ist sie neben Leif Greinus und Ilka Winkler in der Geschäftsführung von Voland & Quist und zeichnet sich dort für die Programmleitung und die Pressearbeit verantwortlich. Sie lebt mit ihrer Tochter in Berlin.