Der Autor Jens Eisel über seinen neuen Roman „Cooper“, das Genre True Crime und das Zusammenspiel von Fantasie.
Jens Eisel, am 10. März erscheint Ihr Roman „Cooper“. Darin erzählen Sie die Geschichte einer Flugzeugentführung von 1971 in den USA, die niemals aufgeklärt wurde. Was ist für Sie das Reizvolle daran, einen Roman auf einem tatsächlichen Verbrechen zu gründen?
Ich bin ganz zufällig auf den Stoff gestoßen. In einer Randnotiz eines Zeitungsartikels. Mein erster Gedanke war: Was ist das für eine geniale Story. Mein zweiter Gedanke war: Der Stoff ist eine Nummer zu groß für dich. Ich hatte damals eigentlich schon an einem anderen Roman gearbeitet. Aber der Fall ließ mich einfach nicht mehr los. Es war vor allem die große Leerstelle, die mich gereizt hat. Heute bin ich sehr froh, dass ich mich dem Thema angenommen habe.
Wie fängt man bei so einem Projekt am besten an?
Ganz klar mit einer ausführlichen Recherche. Als erstes habe ich alles gelesen, was ich über den Fall finden konnte. Außerdem habe ich mich mit dem Vietnamkrieg und der Anti-Kriegsbewegung der 60er und 70er Jahre beschäftigt. Für mich war von Anfang an klar, dass der Fall eng mit den politischen und sozialen Verhältnissen verwoben ist. Und natürlich war ich auch in den USA. Ich wollte die Orte, über die ich schreibe, sehen und fühlen.
Aus Ihrer Erfahrung: Wie viel Zeit braucht die Recherche im Verhältnis zum Schreiben?
Ich habe fast vier Jahre an dem Buch gearbeitet. Ungefähr die Hälfte der Zeit habe ich mich mit der Recherche beschäftig. Die restliche Zeit habe ich geschrieben. Einen Großteil des Textes habe ich aber wieder verworfen. Für die jetzige Fassung habe ich etwa 1,5 Jahre gebraucht.
Ihr Buch ist ja keine Dokumentation, sondern ein Roman. Wie gelingt der Schritt hinein ins Fiktionale?
In meinem Fall war das nicht so schwer, weil über den Täter praktisch nichts bekannt ist. Und wie bereits erwähnt – genau das hat mich an dem Fall fasziniert. Ich konnte bei den Tatsachen bleiben und mich dennoch austoben.
Auch wenn der Täter nie gefasst wurde: Die Crew und die Passagiere des entführten Flugzeugs haben das alles ja tatsächlich erlebt. Was mussten Sie da hinsichtlich der Persönlichkeitsrechte beachten?
Ich habe die Figuren leicht verändert, und sie tragen andere Namen. Und die Backstorys habe ich erfunden. Insofern unterscheiden sich die Figuren stark von ihren realen Vorbildern.
True Crime-Geschichten sind seit einigen Jahren sehr beliebt: Podcasts, die Mordfälle aufrollen oder Netflix-Serien, Kurzgeschichten oder Romane, beispielsweise von Ferdinand von Schirach. Was fasziniert die Leserinnen und Leser an Geschichten über wahre Verbrechen und Verbrecher?
Ich habe darüber selbst sehr viel nachgedacht. Eine Antwort auf die Frage habe ich allerdings nicht gefunden. Wahrscheinlich sind es die menschlichen Abgründe, die uns faszinieren. Es gibt einige sehr gute Bücher und Serien, die auf wahren Verbrechen beruhen. Was mich an dem Genre allerdings manchmal stört, ist, dass sich die meisten dieser Geschichten Mordfällen widmen.
Worauf sollten unerfahrene Autorinnen und Autoren achten, die einen True Crime Roman schreiben wollen?
Ich denke, dass es wichtig ist, dass man sich mit dem Fall, über den man schreibt, sehr genau auseinandersetzt. Und meiner Meinung nach sollte man den Figuren gegenüber eine gewisse Empathie empfinden. Auch wenn das sicher nicht immer einfach ist.
Jens Eisel, geboren 1980 in Neunkirchen/Saar, lebt in Hamburg. Nach einer Schlosserausbildung arbeitete er unter anderem als Lagerarbeiter, Hausmeister und Pfleger. Er studierte am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig und war 2013 Finalist beim Literaturpreis Prenzlauer Berg. Mit seiner Story „Glück“ gewann er im selben Jahr den Open Mike.