„Innere Vorgänge in äußere Handlung umsetzen.“

Tomislav Turina erzählt, warum das Schreiben von Drehbüchern besonderen Gesetzen folgt und wie Autorinnen und Autoren im Filmgeschäft Kontakte knüpfen.

Tomislav Turina, Sie unterrichten das Drehbuchhandwerk, arbeiten als Dramaturg, kennen die Filmbranche. Was für Stoffe werden für Kino, TV und Streaming gesucht?  
Generell sind das Themen, die ein großes Publikum ansprechen. Denn die Kosten für Film- und Serienprojekte sind hoch. Da braucht man entsprechende Zuschauerzahlen, um die Budgets zu rechtfertigen. Es sollten daher gesellschaftlich relevante Themen sein oder – wie mir das mal ein Redakteur vom ZDF gesagt hat – Themen, wo die Gesellschaft nicht mit sich im Reinen ist, die also Widersprüche und Konflikte sichtbar machen.

Was ist beim Schreiben für Kino, TV und Streaming grundsätzlich anders als bei Prosa?
Erst einmal alles, was mit dem Innenleben der Charaktere zu tun hat: Die Figuren selbst, ihr Wesen, ihre Wünsche oder Sehnsüchte. All das wird im Film hauptsächlich durch die Handlungen der Charaktere ausgedrückt. Stoffe, die vor allem von den Innenwelten der Figuren erzählen, können darum problematisch sein. Denn all diese inneren Vorgänge müssen in äußere Handlungen übersetzt werden. Eine Erzählerstimme aus dem Off gibt ja es in der Regel nur in sehr wenigen Genres, wie zum Beispiel in manchen Melodramen. Aber auch da kommt es in erster Linie auf die Handlungen der Figuren an.

Innere Monologe können einen Stoff auch intensiver machen, für inhaltliche Tiefe sorgen. Fällt das im Film weg?
Reduktion auf die äußere Handlung heißt nicht, dass die Geschichte an Komplexität verliert. Ich sehe es eher als kreative Aufgabe. Es geht darum, innere Bewegung in äußere Handlungen zu übersetzen und auch in Bilder und Metaphern. Durch so eine Transformation kann etwas sehr Hochwertiges, Anspruchsvolles entstehen.  

Was sollte ich noch beachten, wenn ich einen bereits vorhandenen Roman für TV, Kino oder Streaming umarbeite?
Es ist auch wichtig, die Produktionsbedingungen und das Budget mitzudenken. Im Buch sind viele Schauplätze kein Problem, das kostet nichts, im Film schon. Hier muss man oft reduzieren, ebenso beim Figurenpersonal.

Kino, Fernsehen oder Streaming – über welches Format bekommt man als Neuling am besten einen Fuß in die Tür?  
Am einfachsten ist es dort, wo die Budgets niedrig sind – und damit auch die Honorare. Fernsehfilme oder -serien für Kinder können zum Beispiel so eine Einstiegsmöglichkeit sein. Wer aber selbst schon einen Roman veröffentlicht hat, zum Beispiel einen Krimi, dem würde ich empfehlen, direkt in diesem Bereich anzusetzen. Wenn der Stoff sich einigermaßen als Drehbuch eignet, kann man sich damit gut bei einer Produktionsfirma bewerben. Denn als Buchautorin oder -autor bringt man ein Publikum mit und hat bereits bewiesen, dass die Geschichte funktioniert.

Wie schaffe ich den Einstieg, wenn ich bisher noch nichts veröffentlicht habe?
Wenn man in der Branche niemanden kennt, landet die Geschichte erstmal auf dem großen Stapel. Aber auch dann kann man seine Chancen verbessern. Wichtig ist es zum Beispiel, vorher zu überlegen, zu welcher Produktionsfirma der Stoff passen könnte. Dafür schaut man einfach in den Abspann von Filmen oder Serien, die das gleiche Genre und ähnliche Merkmale haben wie die eigene Idee. Und bevor ich meinen Stoff verschicke, würde ich auch immer bei der Firma anrufen. Wenn man Glück hat und die richtige Person ans Telefon bekommt, kann man schonmal sagen: Ich habe hier eine Geschichte, die könnte zu ihrem Profil passen. Das ist simpel, aber so kommt man ins Gespräch und die Leute merken, dass man sich die richtigen Gedanken gemacht hat.  

Was gibt es noch für Möglichkeiten, mit den entscheidenden Leuten in Kontakt zu kommen?  
Bei Branchenveranstaltungen trifft man mit etwas Glück Produzentinnen oder Redakteurinnen und kann versuchen, Kontakte herzustellen. Manchmal ist so etwas erfolgreich. Eine andere Möglichkeit sind Drehbuchagenturen, bei denen man sich bewerben kann und die den Stoff dann in der Branche anbieten, wenn sie ihn für aussichtsreich halten. 

Bewirbt man sich mit einem fertigen Drehbuch?
Nein, nein, in der Regel schickt man einen Pitch oder ein Exposé, das nur wenige Seiten umfasst. Manchmal sind auch Arbeitsproben gefragt oder man schickt schon ein paar Szenen mit, um zu zeigen, dass man auch die schreiben kann oder um die Tonalität der Geschichte besser vorzustellen. Es ist sehr unterschiedlich, was die Leute lesen wollen, daher sollte man es auf jeden Fall vorher erfragen. Wer hartnäckig ist und immer mal wieder was Brauchbares schickt und nachfragt, bekommt früher oder später eine Chance.

Der Online-Schreibkurs „Schreiben für Kino, TV und Streaming“ mit Tomislav Turina startet am 1. Dezember.

Tomislav Turina hat an der Drehbuchwerkstatt Rhein-Ruhr Dramaturgie studiert. Neben weiteren Ausbildungen zum Regisseur und Fiction Producer baute er die Filmschule FilmArche e.V. mit auf und war dort sechs Jahre Vorstand. Er schrieb Drehbücher für „Wolffs Revier“ und andere Serien. Seit 2004 unterrichtet er Dramaturgie und unterstützt außerdem als Script Consultant und Dramaturg Filmschaffende.