Die Autorin Susanne Popp spricht über den Weg von der Biographie zum Roman und wie Stendhal und Tolstoi ihr ein Gefühl für das 19. Jahrhundert vermittelt haben.
Susanne Popp, im Herbst ist Ihr Roman „Madame Clicquot und das Glück der Champagne“ bei Rowohlt erschienen, Ihr erstes Buch in einem Publikumsverlag. Sie schreiben aber schon länger, oder?
Ja, das stimmt. Ich habe mich vor einigen Jahren selbstständig gemacht, als Autorin für Privatbiographien. Es gibt viele Menschen, die ihre Lebensgeschichte gern aufgeschrieben hätten, das aber selbst nicht wollen oder können.
Was interessiert Sie an Biographien?
Im Leben meiner Eltern und auch meiner Schweigereltern haben Krieg und Vertreibung eine große Rolle gespielt. Mich interessiert, wie solche Erlebnisse die Menschen prägen, auch über die Generationen hinweg. Wenn ich mir eine Biografie anschaue, versuche ich immer, die Beziehungen zu verstehen, die Einflüsse, denen ein Mensch ausgesetzt ist. Denn das macht einen zu dem, der man ist.
Im Zentrum Ihres Romans, genauer: Ihrer Romanbiographie, steht das Leben von Barbe-Nicole Clicquot. Sie leitete zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Kellerei Veuve Clicquot und machte den gleichnamigen Champagner berühmt. Wie sind Sie auf diese Lebensgeschichte gestoßen?
Ich habe gezielt nach einer Frau gesucht, über die ich schreiben kann. Auf jeden Fall sollte es eine Frau sein, die etwas Eigenes auf die Beine gestellt hat. Es gibt viele Biografien über Frauen berühmter Männer, also „die Frau von …“ oder „die Muse von …“, das wollte ich auf gar keinen Fall. In einem Buch über Unternehmerinnen bin ich dann auf Madame Clicquot aufmerksam geworden. Bei der weiteren Recherche habe ich festgestellt, dass da eine spannende Geschichte dahintersteckt.
Historische Romane über Frauenfiguren werden derzeit von den Verlagen nachgefragt. War das auch ein Grund für Sie, diesen Stoff zu wählen?
Auf jeden Fall. Ich wollte ein Buch schreiben, dass ich bei einem Verlag unterbringen kann. Während des Fernstudiums bei der Textmanufaktur habe ich bereits an einem Roman gearbeitet, im Bereich Science Fiction, den ich aber leider nicht platzieren konnte. Bei meinem zweiten Roman habe ich daher gezielt ein Thema gewählt, das derzeit gefragt ist. Meine Agentin Dorothee Schmidt hat mich bei der Konzeption beraten, das war sehr hilfreich. Sie hat zum Beispiel vorgeschlagen, nicht über das gesamte Leben zu schreiben, sondern zehn Jahre herauszugreifen.
Wer historische Romane liest, will in eine andere Zeit abtauchen und alles möglichst genau vor Augen sehen. Wie haben Sie sich mit dem 19. Jahrhundert vertraut gemacht?
Ich habe Romane aus der Zeit gelesen oder als Hörbuch gehört, beispielsweise von Stendhal oder Tolstoi. Krieg und Frieden spielt in derselben Zeit, in der auch mein Roman angesiedelt ist. Das hat mir ein Gefühl für die Zeit vermittelt, das Zeitkolorit, den Alltag, auch die Sprache.
Die Sprache der Zeit spielt ja vor allem in den Dialogen eine wichtige Rolle. Sie sollen realistisch klingen, aber auch nicht zu fremd für den heutigen Leser. Wie haben Sie das hinbekommen?
Das habe ich nicht bewusst geplant. Weil ich viele zeitgenössische Autoren gelesen oder gehört habe, ist aber ein Gefühl für die damalige Sprache entstanden und für Wörter, die gut in die Dialoge passen. Auf der anderen Seite gibt es ein paar Wörter, die man nicht verwenden sollte, beispielsweise „hallo“. Das kam erst mit der Erfindung des Telefons auf. Zu Beginn war mir das nicht so bewusst, später habe ich dann ein paarmal „hallo“ im Text rausgestrichen.
Wie haben Sie die historischen Hintergründe recherchiert?
Ich hatte einen riesigen Stapel an Sach- und Fachbüchern, zum Teil auch aus der Bibliothek. Viel findet man auch im Internet, Faksimiles aus der Zeit oder Filme über die damalige Mode. Das Archiv von Veuve Clicquot ist recht gut erhalten. Es gibt mehrere wissenschaftliche Arbeiten, die sich damit befassen und alte Handschriften auswerten, in denen es beispielsweise um die Methoden geht, mit denen Madame Clicquot damals arbeitete. Das sind für mich kleine Schätze, die ich in meinen Roman einbauen konnte. Und natürlich bin ich auch nach Reims gefahren und habe die Kellerei Veuve Cliqcuot besucht.
Wo enden in Ihrer Romanbiographie die historischen Fakten – und wo beginnt die Fantasie?
Wenn es um die Firma Veuve Clicquot geht, habe ich mich ziemlich genau an die Fakten gehalten. Die Liebesgeschichte dagegen ist frei erfunden. Den Handelsreisenden Louis Bohne und auch den Buchhalter und späteren Prokuristen Georg Christian Kessler gab es aber tatsächlich. Und es gibt Dokumente, die nahelegen, dass Madame Clicquot und ihr Prokurist ein recht enges Verhältnis hatten. Dies lädt dazu ein, eine Geschichte zu erfinden, wie es gewesen sein könnte.
Susanne Popp, Jahrgang 1967, hat Publizistik studiert und danach ihre Kreativität zunächst in der Werbung ausgelebt, bevor sie sich als Autorin für Privatbiographien selbständig machte. Sie ist in der Südpfalz an der französischen Grenze aufgewachsen und froh, mit ihrem Mann und ihrer Tochter nun wieder an einem Ort zu leben, an dem Weintrauben gedeihen, nämlich am Zürichsee in der Schweiz. „Madame Clicquot und das Glück der Champagne“ ist ihr erster Roman.Ihrer Leidenschaft für außergewöhnliche Frauenbiographien geht die Autorin auch im Podcast „Frauenleben“ nach, unter https://frauenleben-podcast.de