„Afroamerikanische Autoren sind heute präsenter.“

Sebastian Domsch, Professor für anglophone Literaturen, spricht über Horror und historische Romane, über Black Lives Matter in der amerikanischen Literatur und das Problem der Satiriker mit Donald Trump.

Sebastian Domsch, mediale Trends hierzulande kommen oft aus den USA. Ist das bei der Literatur ähnlich?  
Da sehe ich eher ein Hin und Her, einen internationalen Austausch – zum Beispiel bei den neueren Versuchen, das biografische Subjekt erzählerisch zu fassen. Der Norweger Karl Ove Knausgård ist hier einer der Impulsgeber, auch für amerikanische Autorinnen und Autoren, wie Rachel Cusk mit ihrer Outline Trilogy. Davon abgesehen ist der amerikanische Literaturmarkt nach wie vor ein Kristallisationspunkt – auch, weil es viele Autorinnen und Autoren nach Amerika zieht. Sie bringen ihre Erfahrungs- und Literaturwelten mit und vermischen das mit neuen Eindrücken. So leben zum Beispiel die Engländerin Zadie Smith oder der indisch-britische Schriftsteller Salman Rushdie dort und schreiben mittlerweile auch über die USA.

Gibt es neue Trends in der US-amerikanischen Literatur, die bei einem breiten Publikum ankommen?    
Politisch engagierte Bücher werden derzeit viel beachtet und diskutiert. Seit einigen Jahren spielt Diversität in der Literatur eine stärkere Rolle. Autorinnen und Autoren mit afroamerikanischen oder zum Beispiel auch karibischen Wurzeln sind präsenter geworden. Das hat sich im Kontext der Black Lives Matter-Bewegung, der Präsidentschaft von Donald Trump und den Divergenzen in der amerikanischen Gesellschaft nochmal verstärkt. Bisher wurden solche Autorinnen und Autoren oft als Vertreter eines Spezialdiskurses gelesen, beispielsweise über Sklaverei. Heute stehen sie einfach für zentrale amerikanische Themen.

Um welche Themen geht es da – um Rassismus?
Die Autoren versuchen, die amerikanische Gegenwart politisch zu fassen, vor dem Hintergrund der Geschichte. Das Thema Sklaverei kommt natürlich vor, das gab es in der amerikanischen Literatur schon immer. Aktuell spielt aber auch die bisher weniger beachtete Zeit nach dem Bürgerkrieg eine größere Rolle. Damit wird gezeigt, dass die strukturelle Benachteiligung noch längst nicht abgeschafft ist. Colson Whitehead ist ein Autor, der vermeintlich ‚schwarze Themen‘ so behandelt, dass sich viele Leser angesprochen fühlen.   

Wie schreiben die Autorinnen und Autoren über die US-amerikanische Gesellschaft? Gibt es da neue literarische Formen?
Der klassische historische Roman wird oft mit postmodernen Formen oder mit Elementen der Genreliteratur gemischt. So zum Beispiel bei Colson Whitehead: In seinem wohl bekanntesten und vielfach ausgezeichneten Roman schreibt er über die „Underground Railroad“, ein System von Flüchtlingshelfern zur Zeit der Sklaverei, das es tatsächlich gab. Whitehead macht daraus aber eine echte Untergrundbahn, literarisiert also die Metapher und verunsichert damit den Leser. Man fragt sich: Lese ich hier einen historisch-realistischen oder einen fantastischen Roman?  Damit entfremdet der Autor uns von einer Geschichte, die wir als gegeben betrachten und bringt uns zum Nachdenken. Ein anderes Beispiel ist Matt Ruff, der in „Lovecraft Country“ mit Horrorelementen spielt. Die Handlung im Amerika der 1950er Jahre ist einerseits fantastisch, zeigt aber auch den realen Rassismus der Zeit. Beim Lesen können wir uns gar nicht entscheiden, was schrecklicher ist: Die Monster, die überall auftauchen oder der Rassismus, der uns entgegenschlägt. Diese Destabilisierung soll uns aus unserer Erwartung herausholen, wir hätten die Vergangenheit und die Gegenwart verstanden. Durch Anschlüsse an moderne Genreformen wie Horror oder Fantasy werden solche Romane von einem breiten Publikum gelesen.

Die Präsidentschaft von Donald Trump hat die amerikanische Gesellschaft bis ins Mark erschüttert. Welche Rolle spielt Trump in der Literatur?
Es ist noch ein bisschen zu früh, um den Einfluss auf die Literatur insgesamt abzusehen. Interessant ist aber die Art, wie Trump im aktuellen Satire-Diskurs durchgearbeitet wird. Das Problem dabei ist, dass man diesem Irrsinn gar nicht mehr mit klassischen Mitteln der Satire beikommt, weil die Wirklichkeit oft absurder ist, als das, was man als Witz zeichnen kann. Einen ersten literarischen Versuch kann man ganz aktuell in Carl Hiaasens Roman „Squeeze Me“ sehen, der diesen August herausgekommen ist. Er stellt eine beißende Gesellschaftssatire auf die High Society von Florida im direkten Umfeld von Trumps „Summer White House“ Mar-a-Lago dar. Welche Formen andere Autoren dafür noch finden, ob satirische oder ernsthafte, da bin ich sehr gespannt.

Sebastian Domsch studierte Germanistik und Anglistik in Bamberg sowie in Ontario in Kanada. Er habilitierte in München und hatte eine Forschungsstelle im Projekt „Narrating Futures“ inne. Seit 2012 ist Domsch Professor für Anglophone Literaturen am Institut für Anglistik und Amerikanistik der Universität Greifswald. Seine Arbeitsbereiche sind unter anderem Zeitgenössische Literatur, Literaturkritik, Computerspiel-Narratologie sowie Graphic Novels.