„Ich fuhr mit dem Auto in Hollywood herum, wie mein Privatdetektiv.“

Experten-Tipps Historischer Krimi

Copyright: Gerald von Foris

Der Autor Christof Weigold über jahrzehntelange Recherche, Charlie Chaplin als Romanfigur und die Vorteile der Ich-Perspektive.

Herr Weigold, Ihre Krimis um den Privatdetektiv Hardy Engel spielen im Hollywood der 1920er Jahre. Wieviel Recherche braucht so eine historische Krimireihe?
Im Vorlauf hat das natürlich sehr viel Zeit in Anspruch genommen. Ich habe unzählige Bücher gelesen und bin nach Hollywood gereist, all das zunächst aus persönlichem Interesse. So hat sich über Jahrzehnte die Idee für eine Reihe von historischen Krimis in der Stummfilmzeit, für Thema und Setting herauskristallisiert. Ab da wurde die Recherche konkreter und betraf jeweils die einzelnen Fälle, ihre authentischen Figuren, auch den ganzen kulturellen Kontext: Gab es damals schon Radios? Gab es Ampeln? Wie sah das Straßenbahnnetz von Los Angeles aus? Ich recherchierte zum Beispiel im Los Angeles Police Museum, das sich in einem 20er Jahre-Polizeirevier befindet, und im Hollywood Heritage Museum, einer alten Scheune, in der der allererste Hollywoodfilm gedreht wurde. Außerdem war ich in Hollywoods ältestem noch existierenden Restaurant „Musso & Frank’s Grill“ auf dem Hollywood Boulevard essen – und trinken – und befragte die Kellner nach der Prohibitionszeit. Ich fuhr mit dem Auto viel in Hollywood herum, wie mein Privatdetektiv, und wohnte im Hollywood Roosevelt Hotel, wo die ersten Oscars verliehen wurden. Für die einzelnen Bände und echten Fälle gab es dann natürlich gezielte Recherche mit den dazu erschienen Sachbüchern.

Wann entsteht bei Ihnen die Idee für einen Plot: Schon zu Beginn der Recherche oder erst später?
Nach der Konzeption der Reihe war klar, wie die ersten drei Fälle aussehen. Die Aufgabe war dann, meinen fiktiven Detektiv Hardy Engel so gut wie möglich mit diesen Fällen zu verbinden und ihn dabei die Wahrheit, meine Wahrheit, ermitteln zu lassen. Die Recherche und die Ausgestaltung des Plots gehen Hand in Hand. Bevor ich schreibe, mache ich einen genauen Plan für jedes Kapitel, das bin ich als Drehbuchautor so gewohnt. Diesem folge ich beim Schreiben, vieles ändere ich aber auch spontan, stelle um, lasse weg, erfinde neu.

In den Büchern lassen Sie historische Persönlichkeiten auftreten, Hollywoodstars und Größen des damaligen Filmgeschäfts. Wie viel historische Wahrheit und wie viel Fiktion stecken in Ihren Figuren?
Ich folge authentischen Fällen und Figuren, nicht nur weil sie viele Fans haben, sondern auch weil sie viele farbige Details bieten – so kommt die besondere Authentizität von selbst und ich vermeide Klischees. Den Fällen folge ich ziemlich genau so, wie sie passiert beziehungsweise ermittelt worden sind, wobei man natürlich aus einer Fülle von Material auswählen muss. Das gibt mir und meinem Detektiv einen roten Faden. Viele Details erfinde ich aber auch dazu – oder besser: Ich suche mir aus dem historischen Material heraus, welche Wendungen ich wo setze. Und ich suche mir für jedes Buch einen bestimmten Star, zum Beispiel Chaplin oder Carl Laemmle, den ich näher beleuchte, und ein zum Zeitkolorit gehörendes Milieu. In Band zwei sind das die Fliegerpioniere, in Band drei der Ku-Klux-Klan.

Wie werden aus historischen Persönlichkeiten lebendige Figuren?
Dafür braucht es viel Vorarbeit und Wissen über die Biografie. In Band eins gibt es ein großes Kapitel mit acht Hollywood-Pionieren. Ich habe wochenlang die Figuren kennengelernt und sie mir im Kopf zurechtgelegt. Dann habe ich an einem Tag das ganze Kapitel geschrieben. Dabei bin ich wie ein Schauspieler vorgegangen, der nach Vorgaben alle Rollen improvisiert – inklusive lautem Sprechen. Ebenso wichtig wie die Biografien war meine 25jährige Erfahrung als Drehbuchautor. Man soll ja über etwas schreiben, womit man sich auskennt. Ich kenne die Filmbranche, weiß, wie Produzenten und Stars reden und denken. Da hat sich über die letzten 100 Jahre erstaunlich wenig geändert.

Die Krimis sind aus der Ich-Perspektive erzählt. Wie bekommen Sie es hin, dass Hardy Engels Sprache authentisch, aber nicht altertümlich aufgesetzt wirkt?
Keine Ahnung, ehrlich gesagt, ich schreibe es einfach hin, ohne die Absicht, explizit „altertümlich“ zu klingen. Ich kann nur so viel sagen: Die Ich-Perspektive – die eigentlich schwierig ist, weil sie viele Einschränkungen beinhaltet – hilft mir enorm dabei, den Tonfall zu finden und zu treffen. Für diese Reihe ein großer Vorteil.

Christof Weigold, geboren 1966, schrieb Theaterstücke und war von 1996 bis 1999 fester Autor bei der „Harald-Schmidt-Showin Köln, für die er auch vor der Kamera stand. Seit 2000 arbeitet er als freier Drehbuchautor für Film und Fernsehen. 2018 erschien der erste Band seiner Reihe um den deutschen Privatermittler Hardy Engel, „Der Mann, der nicht mitspielt. Er wurde für den Glauser-Preis nominiert und mit dem Preis des Mordharz-Festivals ausgezeichnet. 2019 folgte der zweite Band „Der blutrote Teppich, im August 2020 dann „Die letzte Geliebte. Christof Weigold lebt in München.