„Es macht einfach mehr Spaß, gemeinsam zu lernen.“

Online-Workshops oder Seminare per Video: Durch die Corona-Krise hat sich die Weiterbildung verändert. Der Kommunikationswissenschaftler Lutz Goertz spricht über neue Tools, die Krux mit der Motivation und warum man auch das digitale Lernen und Lehren üben muss.   

Digitale Medien spielen beim Lernen eine immer größere Rolle – auch für Erwachsene, die sich weiterbilden wollen. Die Corona-Krise hat diesen Trend noch einmal verstärkt. Inwieweit lässt sich der direkte Kontakt durch Webinare und andere digitale Formate ersetzen?
Grundsätzlich lässt sich der direkte Kontakt in der Erwachsenenbildung sehr gut ersetzen. Es gibt viele digitale Tools, die ähnliche Lernsettings ermöglichen wie im Präsenzseminar. Manchmal haben sie sogar Vorteile gegenüber Präsenzveranstaltungen.

Was haben digitale Angebote dem direkten Lernen in einer Gruppe denn voraus?
Die Teilnehmenden müssen keine Wegstrecken zurücklegen. Das ist für Menschen mit eingeschränkter Mobilität ein Vorteil, also zum Beispiel bei schlecht ausgebautem öffentlichen Personennahverkehr oder wenn man sich gleichzeitig um Kinder kümmern muss. Weil man nicht gleich mehrere Tage wegfahren muss, lassen sich digitale Angebote besser mit dem Arbeitsalltag vereinbaren. Bei Weiterbildungsangeboten, die direkt auf den Beruf bezogen sind, kann man das Gelernte sofort verknüpfen und manchmal auch während des Lernens arbeiten.

Verleitet das nicht dazu, sich ablenken zu lassen, statt sich vollständig aufs Lernen zu konzentrieren?
Ja, richtig. Digitales Lernen erfordert viel Selbstdisziplin. Wer erwartet, dass ihm alles vorgesetzt wird, für den wird es schwierig. Man ist mehr für sein eigenes Lernen verantwortlich.

Gute Angebote sollten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer beim Lernen unterstützen und motivieren, oder? Können digitale Angebote das?
Hier hat sich Blended Learning besonders gut bewährt. Dabei transferieren Sie eine Lehrveranstaltung, die in Präsenz angeboten wird, teilweise ins Digitale. Zu Beginn gibt es eine Präsenzsitzung, wo sich alle kennenlernen und erklärt wird, was gelernt werden soll und wie die Technik funktioniert. Es folgen dann Online-Phasen. Es gibt Aufgaben, die alle Teilnehmenden selbstständig bearbeiten und zwischendurch kommen die Leute in Webinaren – also in Webkonferenzen – virtuell zusammen. Das kann man durch die Arbeit in Kleingruppen ergänzen, in denen zum Bespiel kleine Projekte umgesetzt werden. Zum Schluss treffen sich alle nochmal in Präsenz, also im Seminarraum, für eine Lernerfolgskontrolle oder einfach um sich gegenseitig die Ergebnisse aus den Projektarbeiten vorzustellen und sich gemeinsam über das zu freuen, was man erreicht und gelernt hat.

Was kann einem das Lernen erleichtern, wenn man allein zu Hause sitzt, statt im Seminarraum?
Ich denke, die Arbeit in Kleingruppen ist besonders motivierend. Viele melden sich ja genau aus diesem Grund zu einem Kurs oder einem Seminar an, um sich mit anderen auszutauschen und zu unterhalten. Wenn ich mich in Telefon- oder Webkonferenzen mit Leuten treffe und mir dort Ziele setze, schaffe ich mir selbst einen größeren Druck, diese Ziele auch zu erreichen. Und ich hole mir gleichzeitig eine Art Belohnung, weil andere mir ein Feedback geben können. Es macht einfach mehr Spaß mit anderen zusammen zu lernen. Solche Formate sollte man ins Digitale übernehmen.

Wie muss ein digitales Lernangebot gestaltet sein, damit es funktioniert?
Grundsätzlich ist eine hohe Usability gut. Das heißt, das verwendete System sollte einfach zu bedienen sein, es muss übersichtlich und motivierend gestaltet sein. Und es wäre gut, wenn es sich dem Lernbedarf des einzelnen anpasst. Die Teilnehmenden können dann zum Beispiel aus verschiedenen Texten auswählen – also Texte für Anfänger oder für Fortgeschrittene oder man hat die Wahl zwischen Texten und Erklärvideos.

Wo sehen Sie Grenzen des digitalen Lernens?
Neben der Selbstmotivation, über die wir ja schon gesprochen haben, sehe ich vor allem technische Beschränkungen. Manche Menschen verfügen nicht über die notwendigen Geräte oder das richtige Betriebssystem. Wichtig ist auch eine gewisse Medienkompetenz. Viele haben Schwierigkeiten oder eine gewisse Scheu, mit Technik umzugehen.

In den vergangenen Monaten wurden viele Seminare und Kurse auf digitale Angebote umgestellt. Wie gut ist das aus Ihrer Sicht gelungen?
Dozenten, die sich vorher schon mit digitalen Tools vertraut gemacht hatten, kommen recht gut damit klar. Sie haben sich meist relativ schnell darauf eingestellt. Andere mussten das alles erst lernen. So eine Lernphase kostet Zeit, aber das ist normal. Schließlich gab es auch eine Zeit, in der die Dozenten lernen mussten, wie sie Präsenzsemiare gestalten, zum Beispiel: Wie motiviere ich Leute im Seminarraum oder nutze einen Overhead-Projektor? Genau das müssen sie jetzt aufs Digitale übertragen. Es gibt Programme, die den Aufwand verringern. Die Technik ist da, die Menschen müssen nur lernen, damit umzugehen.

Lutz Goertz ist promovierter Kommunikationswissenschaftler und arbeitet am mmb Institut zu digitaler Bildung. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover und arbeitete als Bildungsreferent für den IT-Verband bvdw. Seit 18 Jahren leitet Goertz den Bereich Bildungsforschung beim mmb Institut – Gesellschaft für Medien- und Kompetenzforschung. Das private Institut forscht und berät unter anderem zu den Themen Digitalisierung und Lernen, Bildungsmärkte und Bildungstechnologie sowie Arbeitsmarkt und Berufe.