„Beim Surfen lerne ich viel über den Schreibprozess“

Sandra Hoffmann, vielfach ausgezeichnete Autorin und neu als Referentin bei der Textmanufaktur, spricht über schwierige Plots, den Puls von Texten und die richtige Welle.  

Sandra Hoffmann, für die Textmanufaktur leiten Sie zusammen mit dem Lektor Martin Hielscher die Werkstatt „Romanentwicklung Literatur“. Es geht darum, einen eigenen Roman zu entwickeln und zu schreiben. Ein ganz schön großes Projekt, oder?  
Klar, einen Roman zu schreiben ist eh ein gewaltiges Projekt. Aber wenn man dabei begleitet wird und weiß, dass man konstruktive Unterstützung bekommt, dann ist es vielleicht leichter.

Die drei Wochenend-Seminare umfassen einen Zeitraum von knapp einem Jahr. Gibt es ein klar definiertes Ziel, das die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erreichen sollen? 
Wenn man ein Jahr an einem Roman arbeitet, ist das auch ein Jahr Auseinandersetzung mit den Figuren, mit dem Stoff, mit einem Bogen. Wenn man ein Jahr Arbeit in etwas hineinsteckt, sich zwischendrin immer wieder traut, das was man tut, herzuzeigen, dann gibt man danach nicht mehr so einfach auf. Daran glaube ich. Oder anders: Das ist eine Hoffnung, die ich für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer habe. Ansonsten gibt es von mir aus kein vorgefertigtes Ziel, weil jeder Mensch doch ein eigenes Tempo hat. Manche Autorinnen und Autoren schaffen in einem Jahr einen ganzen Roman, andere eben einen halben.

Autorinnen und Autoren haben ganz unterschiedliche Arbeitsweisen. Die einen planen alles durch, andere lassen sich eher treiben. Wie gehen Sie damit in den Seminaren um? 
Martin Hielscher und ich, wir versuchen beide, Texte ganz individuell zu lesen und wollen die Autorinnen und Autoren in ihrer spezifischen Arbeitsweise unterstützen. 

Sie sind selbst Schriftstellerin, haben für Ihre Bücher mehrere Auszeichnungen erhalten. Wie arbeiten Sie, wenn Sie mit einem neuen Roman beginnen? 
Meist habe ich eine Idee, die bewege ich lange herum, irgendwann sammle ich alles Mögliche dazu und dafür, sortiere, sortiere um, habe einen ersten Satz, kleine Textabschnitte. Meistens habe ich ein Gefühl dafür, wie der Text sich bewegen soll, also für seinen Rhythmus, die Länge seiner Abschnitte oder Kapitel, den Puls und vor allem den Sound. Aber es kann sein, dass es mir in der ersten Fassung noch nicht gelingt, das einzulösen, oder nur in Teilabschnitten. Wenn das so ist, dann räume ich alles beiseite, außer diesen wenigen guten Abschnitten und fange wieder von vorne an. Ich habe keine Angst davor, etwas zu verwerfen. So war es bei „Paula“, so war es auch im Roman davor. Meine Figuren kenne ich aber immer gut. Und ich weiß mehr über sie, als der Text schließlich von ihnen preisgibt. 

Im vergangenen Jahr ist Ihr erster Jugendroman erschienen. War der Schreibprozess anders als bei Ihren Büchern für Erwachsene? 
Haha, ja, eines war sehr anders: Ich wusste, ich muss im Sinne des Erlebens, des – sagen wir mal – Abenteuers, nach vorne erzählen, ich brauche einen Plot. Das war nie meine große Stärke. Ist es bestimmt nach wie vor nicht. Aber ich kann’s, ich habe es gelernt. Und bin ziemlich stolz darauf, wie das klappt in „Das Leben spielt hier“ – was im Übrigen auch kein echter Jugendroman ist, sondern klassisches „All age“ oder „Cross over“ – ich glaube, so nennt man das auch.

Ein eigenes Romanprojekt in einer Gruppe reflektieren, haben Sie das auch schon mal selbst gemacht, und wenn ja: War das hilfreich?  
Mein erstes Buch, „Schwimmen gegen blond“, das ich, genauso wie meine nächsten beiden Bücher, mit Martin Hielscher bei C.H. Beck gemacht habe, hat seinen Anfang in einem Seminar am Studio Literatur und Theater in Tübingen genommen. Überhaupt habe ich eine ganze Reihe von Seminare dort besucht. Das Sprechen über Texte in einem geschützten Kreis, das war für mich eine wirklich prägende Zeit. Sie hat mich zur Schriftstellerin werden lassen.

Was hilft Ihnen dabei, in schwierigen Schreibphasen dranzubleiben und weiterzumachen? 
Dass ich mich regelmäßig an meine Arbeit setze. Disziplin also, so wie beim Laufen:  Leichter geht‘s auch da nur mit regelmäßigem Training. Man traut sich dann auch mehr zu. Außerdem hilft Geduld, immer wieder anpaddeln, dann kommt irgendwann die richtige Welle. Ich surfe, da lernt man viel über das Leben, über Demut und über den Schreibprozess. 

Sandra Hoffmann lebt als freie Schriftstellerin in München. Seit 2002 hat sie sechs Romane veröffentlicht und zahlreiche Preise und Stipendien erhalten, zuletzt für ihren Roman „Paula“ ein Jahresstipendium des Deutschen Literaturfonds und den Hans-Fallada-Preis der Stadt Neumünster. Sandra Hoffmann unterrichtet am Zentrum für Angewandte Kulturwissenschaften und Studium Generale des Karlsruher Instituts für Technologie sowie an der Universität Augsburg. Außerdem arbeitet sie in freier Tätigkeit für Radiosender, DIE ZEIT und das Literaturhaus München. Im vergangenen Jahr erschien mit „Das Leben spielt hier“ ihr erster Jugendroman.