„Glaubhaft gezeichnete Charaktere sind entscheidend.“

(c) Nicki Schäfer, Blende11-Fotografen

Piper-Lektorin Andrea Müller spricht über lebendige Helden, hilfreiche Literaturagenten und den neuen historischen Roman.  

Andrea Müller, was braucht ein guter Unterhaltungsroman?
Ein guter Unterhaltungsroman spricht seine Leser emotional an, sei es, dass er sie anrührt, sie mitleiden, mitlachen, mitfiebern lässt. Ein „Generalrezept“, wie das zu erreichen ist, gibt es nicht, aber glaubhaft gezeichnete Charaktere sind in jedem Fall eine entscheidende Voraussetzung. Wir folgen einer oder mehreren Figuren durch das Universum des betreffenden Romans. Wir sehen, was sie sehen, erleben, was sie erleben. Die Voraussetzung dafür ist, dass es dem Autor oder der Autorin gelingt, seine oder ihre Helden so auszugestalten, dass wir sie wie lebendige, glaubwürdige Menschen erleben, mit denen wir uns identifizieren können.

Der historische Roman war lange Zeit ein Dauerbrenner in der Unterhaltungsliteratur. Gibt es für solche Stoffe auch weiterhin einen Markt?
Unterhaltungsgenres erleben Wellen, was ihre Popularität anbelangt. Wenn man unter historischen Romanen nur den klassischen Mittelalterroman versteht, dann könnte man sagen, das Genre befindet sich gerade im Tief, einmal abgesehen von den neuen Romanen der „Großen“ wie beispielsweise Ken Folett. Allerdings greift diese Sicht zu kurz. Es sind momentan nur eben andere historische Epochen, denen das Interesse der Leser gilt.  
Neu und aktuell im „Hoch“ ist das Interesse für das 20. Jahrhundert. Den Markt dominieren mehrbändige Sagas, deren Handlungszeitraum sich über mehrere Jahrzehnte erstreckt. Zeitlich ähnlich verortet und gleichermaßen populär sind Romanbiographien über berühmte Frauen oder die Frauen berühmter Männer.

Wie kommen Sie an interessante Manuskripte?  
Für die Unterhaltung gilt generell: Das Problem ist nicht, wie man an Manuskripte kommt, sondern eher, wie man aus der Überfülle an angebotenen Projekten die aussichtsreichsten herausfiltert. Manuskripte erreichen uns über verschiedenste Wege: Agenturen im In- und Ausland, ausländische und – wo es um Taschenbuch-Zweitverwertungen geht – unabhängige deutsche Verlage sowie Direkteinsendungen von Autoren. Gelegentlich initiieren wir auch Schreib-Wettbewerbe zu bestimmten Themen.

Was raten Sie angehenden Autoren: Sollten sie sich direkt an einen Verlag wenden oder besser den Weg über eine Agentur gehen?
Heutzutage ist der Weg über eine Agentur auf jeden Fall aussichtsreicher. Lektoren und Lektorinnen schätzen die Vorauswahl, die Agenturen für sie treffen. Eine Agentur kennt das Verlagsprogramm des jeweiligen Hauses, weiß daher, welche Projekte dort überhaupt passen könnten, und kennt im Idealfall sogar die einzelnen Lektoren und Lektorinnen, deren Suchparameter und persönliche Vorlieben.

Dr. Andrea Müller ist die verantwortliche Programmleiterin des Bereichs Piper Unterhaltung. Zuvor war sie Verlagsleiterin bei Friedrich Oetinger in Hamburg sowie Programmleiterin für Knaur Belletristik bei Droemer Knaur.