„Das verborgene Leben des J.D. Salinger“

Unsere Rezensentin (und Kinderbuchautorin) Nina Dulleck wirft von Zeit zu Zeit einen sehr persönlichen Blick auf Bücher, die sich mit dem Thema Schreiben beschäftigen – und hat vor kurzem eine Biografie über den geheimnisvollen Autor J. D. Salinger entdeckt.

Biografien finde ich in der Regel unterhaltsam und hoffe darüber hinaus – wenn die Lebensbilder mit meinem Beruf als Autorin oder Illustratorin zu tun haben – etwas daraus für meine Arbeit zu lernen. Außerdem ist es interessant, sich einem Werk über die Biographie des Autors zu nähern. Für mich sind Werk und Person des Autors zu eng verknüpft, als dass es mir egal wäre, wer dieser Mensch „im richtigen Leben“ gewesen ist.
Bei Salinger kommt hinzu, dass er etwas sehr Ungewöhnliches getan hat, wodurch ich auf ihn aufmerksam wurde: Auf der Spitze seines Ruhmes zog er sich zurück. Zunächst nur aus der Öffentlichkeit. Dann auch aus dem Literaturbetrieb. Am Ende war er hauptsächlich damit beschäftigt, seine Privatsphäre und seine veröffentlichten Werke zu schützen, unter anderem in langwierigen Gerichtsverfahren.
„Das verborgene Leben des J.D. Salinger“ ist genau das Richtige, wenn man wissen möchte, wie sich dieser Autor entwickelt hat und wann in seinem Lebenslauf welche Geschichten entstanden. Darüberhinaus hat Slawenski so gründlich recherchiert, dass man die einzelnen Geschichten eigentlich nicht mehr zu lesen braucht um zu wissen, worum es darin geht und wie sie zu verstehen sind.

Mir hat als Autorin hat die Schilderung von Salingers Kämpfen mit den Verlagen, die vielen, vielen Absagen, selbst als er bereits Bestseller gelandet hatte, Mut gemacht „dran zu bleiben“. Eine eigene Stimme finden als Schriftsteller und die Suche nach Wahrheit, nach Authentizität – das an Salingers Leben zu beobachten hat mich herausgefordert, meine eigenen Beweggründe, meine Ziele für das Schreiben zu überdenken und das ganze Drumherum des Büchermachens mit etwas Abstand zu betrachten.

Dabei geht Slawenski mit Salinger äußerst respektvoll und zurückhaltend um und fügt sich in die Reihe derer, die erklärtermaßen die Privatsphäre dieses amerikanischen Bestsellerautors schützen wollen – auch über dessen Tod hinaus. Für mich aus heutiger Sicht wird dadurch das Lebensbild, das er zeichnet, zu einseitig. Hier schreibt ein Fan. Er erwähnt durchaus auch die „dunkleren“ Seiten von Salingers Persönlichkeit, lässt aber einiges, gerade auch in Bezug auf Salingers Beziehungen zu Frauen, unerwähnt oder streift es nur am Rande. Dadurch geht ein essentieller Teil der Person Salinger verloren. Um das Bild etwas zu vervollständigen empfehle ich Joyce Maynards Biographie „Tanzstunde“ in der sie unter anderem auch ihr Jahr als 18-jährige mit dem 53-jährigen Salinger reflektiert.

„Das verborgene Leben des J.D. Salinger“ für Fans sicherlich ein Muss und für alle, die sich dem Werk dieses Autors nähern wollen eine sehr präzise, komprimierte Zusammenfassung seines Lebens und seiner Geschichten.
Für mich als Autorin liefert das Buch Hinweise, achtsamer mit mir und meiner Kunst im Literaturbetrieb umzugehen, mich nicht (von Rezensionen oder der Meinung des Marketings) einschüchtern oder unterkriegen zu lassen, an meinen Fertigkeiten weiterzuarbeiten und sie immer weiter zu entwickeln. Über das zu schreiben, was ich liebe und mich nicht zu verbiegen oder zu versuchen, jemand anderes zu sein, ist eine weitere Lehre, die ich aus dem Buch gezogen habe. Wir können als Autoren nicht auf irgendetwas zurückgreifen. Jedes Mal, wenn wir eine Geschichte beginnen sitzen wir vor einer leeren Seite. So ähnlich steht es in „Das verborgene Leben des J.D.Salinger“ und das hilft dabei, sich nicht der positiven wie negativen Illusion hinzugeben, dass Meister vom Himmel fallen (müssen) oder Literaturpreise und hohe Verkaufszahlen der erstrebenswerte Gipfel einer Karriere sind.


Das verborgene Leben des J. D. Salinger
Kenneth Slawenski, übersetzt von Yamin von Rauch
Verlag Bogner & Bernard, 2012
600 Seiten. Das Buch ist nur noch antiquarisch erhältlich